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Ebertbad Oberhausen, 14. Mai 2004

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Ebertbad Oberhausen, Freitag 14.5.2004

"Hausband"! Dieses Wort hat seine Berechtigung hier - im Ebertbad; Zimmer aber vermieten sie hier nicht.

Wieder einmal sind wir in dem 1997 zum Veranstaltungsort umgebauten ehemaligen Jugendstilhallenbad in Oberhausen. Hier hatten wir, vor nunmehr 5 Jahren, unsere erste Begegnung mit HISS. Und, wenn wir richtig gezählt haben, gastiert HISS heute abend zum sechsten Male auf dieser Kleinkunstbühne, die sich längst zu einer der bedeutenden im gebeutelten Revier gemausert hat, nicht zuletzt wegen der eigenen Hausband.

Das Ebertbad wurde 1895 als eine der ersten öffentlichen Volksbadeanstalten des Deutschen Kaiserreiches eröffnet. Anfangs diente es weniger der sportlichen Ertüchtigung, als mehr der Körperpflege. Ein Bad zu Hause war seinerzeit die Ausnahme, die Bergarbeiterwohnungen boten nicht den heute selbstverständlichen Komfort. Aus einer Chronik: "Was für eine Wohltat für die verstaubten und verschwitzten Bergleute und Eisengießer des kleinen Städtchen Oberhausen!"
Schon 2 Jahre nach der Eröffnung begann man im Ebertbad mit dem Vereinsschwimmsport, für den Oberhausener Schwimmverein 1897 war das Bad über viele Jahre Trainings- und gar Wettkampfstätte. 1926 richtete der OSV97 das Gaujugendschwimmfest aus. - Nach mehrmaligem Umbau wurde das Bad 1983, inzwischen nicht mehr konkurrenzfähig, auf Beschluss des Oberhausener Rates geschlossen. Der letzte Umbau fand 1997 statt, initiiert von beherzten Bürgern, Architekten und Kommunalpolitikern: Das historisch interessante Gebäude wurde zu einem 450 Besucher fassenden Veranstaltungsraum umgebaut. Das Haus ist Spielstätte für Ruhrgebietskabarett, Musik, Tanz und Theater - und für HISS.
Die Licht- und Tontechnik des Ebertbades kann sich sehen und hören lassen, unter der Decke der ehemaligen Schwimmhalle hängen moderne Akustikverkleidungen. Wir selbst stehen dort, wo's früher nass war, wir wandeln auf dem überbauten ehemaligen Schwimm- und Badebecken. Schräg über uns, die gesamte Halle umlaufend, etwa auf Höhe eines ersten Obergeschosses, begrenzen aus gusseisernen Ziergittern gefertigte Geländer eine in die Seitenwände des Saales eingelassene Galerie, Wandelgänge der Jugenstilarchitektur. Neben uns, bis in Augenhöhe, sind die Wände zum Teil noch mit den ursprünglichen, den glasierten Kacheln aus der Neubauzeit verkleidet.

Heute abend hat das Ebertbad schätzungsweise gut 200 Besucher. Wir sind früh gekommen und positionieren uns mit einem Stehtisch direkt unterhalb von Stefans Mikrofon. Die Setlist, handgeschrieben auf einem A4-Bogen und festgeklemmt unter Michaels Mikrofonständer, verrät uns die Songfolge: Polkakönigin, Komm tanz mit mir, Zydeco Gris Gris,....., Tequila. Es stehen wieder die Lieder der aktuellen CD "Polka für die Welt" im Mittelpunkt.
Der Bühnenhintergrund ist heute mal nicht mit dem roten HISS-Samtvorhang behängt. Das ist an dieser Spielstätte nicht nötig, der dunkle textile Bühnenhintergrund lässt sich, auf Knopfdruck, in buntes Licht tauchen. Mit HISS-roter Beleuchtung geht's los: Polkakönigin.

Die 5 knüpfen genau da an, wo sie am 30. April in Waldshut, unserem letzten HISS-Konzertbesuch (dort lauschten wir der "kammermusikalischen HISS-Konzertvariante" >Lieder an der Bar< ), aufgehört hatten.
Heute wird es nicht ganz so andächtig zugehen wie ehedem in der Waldshuter Stadtscheuer, zumal Stefan auf den Einsatz seines immerwährenden Heiligenkalenders verzichtet. Die eigenen Texte sollten dazu ausreichen, den anwesenden "Oberhausenern und Oberhausenerinnen" die einzig richtigen und wahren Tugenden zu vermitteln. Wozu noch anderweitig moraltheologisch-heiligen Beistand bemühen? Stefans ureigenste Worte - und seine Stimme - haben ihr eigenes Gewicht! Die Gestik seines "Strafgerichts"s zieht jeden Besucher in seinen Bann.

Im Ebertbad sitzt man nicht, an Stehtischen steht man, lehnt sich daran an! Dadurch bleibt genügend Freiheit für die eigene körperliche Bewegung. Vorne, unterhalb des Bühnenpodiums, wurde wieder einmal ein zweckbestimmter Raum frei gehalten. Schon beim zweiten Song füllt sich dieser Polkakorridor, Ingrid vorne weg. Und wieder einmal tanzt sie - mit (unserem) Horst. "Komm tanz mit mir!"
Wie immer widmet sich Stefan auch diesmal "seinem Horst": Der ist übergewichtig, vielleicht aber auch untergewichtig, jedenfalls ist an Horst nichts normal; Horst ist auf jeden Fall schizophren (daran hält Stefan fest). Neu aber ist: "Horst ist nun tot!" - War die Friedhofspolka, die vom Publikum lautstark mitgesungen wurde, heute abend auch dem toten Horst gewidmet?
Und wieder einmal bekommen wir, die Angepassten wie die Exzessiven, gleichermaßen unser Fett ab: "... im Taumel der Gefühle verschmilzt der Geist mit Fleisch, die Gier macht im Gewühle fast alle Menschen gleich...." Gegen Ende von "Meine Frau ist fett" glänzt Michael wieder einmal mit seinem Mundharmonikasolo. Den lang anhaltenden verdienten Applaus nimmt er, wie immer, mit der ihm eigenen Bescheidenheit entgegen.

Bei Stefan dagegen sehen wir eine andere Geste, mit der er den Manieren des Freiherrn von Knigge auf seine eigene Art entgegentritt: Er glättet sein schweißnasses Haar mit einem (aus der Hosentasche?) hervorgekramten Plastikkamm. Das schweißtriefende Stück wird von ihm alsdann (andeutungsweise) mit der Zunge abgeleckt. Dabei äußert er Vermutungen über spezifische Gerüche und Geschmäcke an solch einem Utensil, etwa wenn ein solches über längere Zeit in einer in den Schritt einer Männerhose eingenähten Hosentasche herumgetragen wird; er steigert sein anstößiges Gerede noch, als er auf den besonders gravierenden Fall einer womöglich lange nicht gewaschenen Hose anspielt. Das Publikum schüttelt sich - und lacht verlegen!

Wie wir es schätzen und kennen, wird die Musik - auch heute wieder - professionell dargeboten. Wir haben den Eindruck, dass die Arrangements nochmals verbessert und dazu speziell auf das Gitarren- und Mandolinenspiel von Thomas Grollmus abgestellt wurden.

Zum Schluss gibt's wieder die verdienten Zugaben, darunter "Tequila" ...
"...Du hast die Unschuld mir geraubt
meine Ehre und mein Glück,
Du hast den Willen mir gebrochen
das Herz und das Genick
Du hast mich aufgefressen und zerkaut
und wieder ausgespuckt
ich warte nur noch auf die nächste Flasche
und auf den nächsten Schluck"

Auch wir brauchen Drogen, wir sind süchtig nach der Hausband einer ehemaligen Volksbadeanstalt, nach Gestrandeten der Rock`n`Roll-Musik, aus einem Musikerwohnheim zu Bartholomä.

Ein allerletztes Grußwort von Stefan: Ade'le


Aus dem Ruhrpott berichtete Uwit. Glück auf!



Herzlichen Dank an UWIT für die Bilder und den Bericht!
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